In die Zukunft schauen (ganz ohne Introvertiertem Intuieren)!

Es ranken sich ja schöne Legenden um bestimmte Persönlichkeitstypen, dass sie durch ihr stark ausgeprägtes Introvertiertes Intuieren in die Zukunft schauen könnten und besser als andere darin seien, bevorstehende Ereignisse vorherzusagen. Das ist ein höchstwahrscheinlich von ENTJs verbreitetes Gerücht (*Zwinker*). Bevorstehende Ereignisse vorhersagen geht aber trotzdem und viele beherrschen diese Kunst. Und zwar seriöse Wissenschaftler.

Und natürlich kann die Wissenschaft falsch liegen, wie es auch schon häufig der Fall war, aber sie ist erpicht darauf, sich selbst immer wieder zu korrigieren – und wenn wir wissen wollen, welches Wetter morgen wird, dann werden wir uns eher einem Meteorologen als dem Horoskop oder der Bibel zuwenden. Aus dem Grund, dass wir aus Erfahrung sagen können, dass der aktuelle wissenschaftliche Kanon die Entwicklungen auf unserem Planeten noch am häufigsten relativ treffsicher vorhersagt.

Kommen wir also zu einer der renommiertesten Zwischenstaatlicher Ausschuss von Wissenschaftlern: der Internationale Klimarat (IPCC) ist so ziemlich das zuverlässigste Forschungsinstitut, das wir zum Thema Klimaerwärmung haben – nicht ohne Grund beriefen sich die Staaten beim Beschluss des Pariser Abkommens auf den Sonderbericht für 1,5° vom IPCC. Ich muss und will hier niemandem erklären, inwiefern der Mensch für den Klimawandel, den wir gerade erleben verantwortlich ist – wenn der geneigte Leser nicht daran glaubt, alles klar, agree to disagree, kannst weiterklicken. Wenn man aber, und davon gehe ich bei den meisten meiner Leser aus, zu jenen gehört, die glauben, okay, 1,5° müssen wir erreichen, wenn das mit dem Klima nicht aus dem Ruder geraten soll… dann wird es jetzt auch aller höchste Zeit, danach zu handeln.

Die Sache ist, egal, wo man (politisch) steht – solange man nicht ohnehin in den nächsten zehn, zwanzig Jahren stirbt und keine Nachkommen hat, um die man sich sorgt, nie trivial:

Du kannst natürlich sagen: „Joa, Klimaschutz, das interessiert mich nicht so, ist mir nicht so wichtig“, aber damit sagst du dann im Grunde auch, dass dir Themen wie zum Beispiel Gesundheit, Flüchtlinge (zu denen man übrigens auch selbst ganz schnell gehören kann), Landwirtschaft (=Lebensmittelknappheit) und Bundeshaushalt (weil die Infrastruktur ständig von Katastrophen gestiefelt wird) nicht wichtig sind. Es geht uns alle an, das erkennen wir, wenn wir dazu in der Lage sind, um mindestens eine Ecke zu denken. Wenn du Rechtsextrem bist, hast du kein Bock auf mehr Fremde, die unbedingt in „dein“ Land wollen, wenn du dich als „Wertekonservativer Christ“ verstehst, hast du ja auch die biblische Verantwortung, „Gottes Schöpfung“ zu wahren, wenn du Hypochonder bist, willst du nicht noch einen Grund mehr, dir ein drittes Mal die Hände waschen zu müssen, nur um auf Nummer Sicher zu gehen. Was also tun?

Ich plädiere schon seit Jahren dafür, dass wir mit unserem Konsumverhalten Verantwortung übernehmen – und viele, mit denen ich darüber diskutiert haben, haben mir entgegnet: „Ja, aber das nutzt doch alles nix, wenn die Politiker in eine völlig andere Richtung fahren!“

Ich bin nach wie vor meiner Meinung, dass unser alltägliches Verhalten einen entscheidenden Faktor spielt, aber leider stimmt die oben genannte Behauptung in einigen Punkten. Einer der schwerwiegendsten davon, bei dem wir tatsächlich auf unsere Politiker angewiesen sind, ist der Kohleausstieg. Die Stiftung Klimaneutralität schreibt dazu:

„Da der Kohleabbau rund 70 % der Emissionen aus fossilen Energieträgern ausmacht, sollte der Schwerpunkt auf die deutliche Reduktion bis hin zum vollständigen Verzicht auf die Kohleverstromung gelegt werden. Auf Grundlage einer Empfehlung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ sieht die aktuelle Gesetzeslage vor, den Kohleausstieg in Deutschland bis spätestens 2038 durchzuführen und bis dahin jährlich rund 2 GW an Kapazitäten aus Kohlekraftwerken abzuschalten. Studien zeigen jedoch, dass dieser Zeitrahmen nicht mit den Pariser Klimaschutzzielen vereinbar ist und die selbst gesteckten Ziele zur Emissionsminderung verfehlt. Gleichzeitig kann ein Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 – bei angemessenem Ausbau der erneuerbaren Energien – so gestaltet werden, dass die Energieversorgung nach wie vor sichergestellt ist. Nur so können
die CO2-Emissionen in einem Umfang gesenkt werden, dass die verschärften Klimaschutzziele des KSG erreicht werden.“

https://diw-econ.de/wp-content/uploads/DIWEcon_Wahlprogramme_Plausibilitaetsanalyse_v2.0.pdf Seite 15

Ist jetzt nur dumm, wenn nur zwei der sechs im Bundestag vertretenen Parteien das wollen. Genauer gesagt Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Und in der (gerade eben oben verlinkten) Plausibilitätsanalyse der Stiftung Klimaneutralität kommen nur Die Grünen mit 3,63 den 4 eigentlich zu erreichenden Punkten, die für die Einhaltung des 1,5°-Ziels erforderlich wäre, nahe:

Peinlich für die SPD, hier gleichauf mit der CDU zu stehen, die nun wahrlich nicht das Image als Klimaschutz-Partei genießt.

Wenn man sich das Schaubild so anschaut, oder die Zeit hat, sich den Bericht komplett durchzulesen (Spoiler: man kommt im Grunde zum selben Ergebnis), dann wird relativ schnell klar: wenigstens nur annähernd umsetzbar sind 1,5°C nur mit einem Rot-Rot-Grün-Bündnis.

Ich will nun zwar niemandem vorschreiben, was zu wählen ist, aber – wenn man die Warnungen aus der Wissenschaft ernst nimmt, dann frage ich mich, was jemanden dazu bewegen könnte, zum Beispiel die FDP zu wählen. Gerne in die Kommentare damit, das ist nicht bissig gemeint, ich will es wirklich wissen, ich verstehe es einfach nicht und das bringt mich um den Schlaf. Ich will keine direkte Wahlempfehlung geben – aber ich will euch eindringlich darum bitten, macht euch Gedanken um den Klimawandel, bevor ihr am 26. euer Kreuz in der Wahlkabine setzt. Wie könnt ihr eure Stimme verwenden, um einen Unterschied zu machen? Es betrifft nicht nur eure Kinder und Enkel, es betrifft auch euch. Der Klimawandel wird auch an euren Finanzen und eurer Gesundheit nicht vorbeiziehen.

So, das musste raus. Sorry für die Schwarzmalerei, aber ich will einfach nur ehrlich sein und es sieht momentan eben auch einfach nicht gut aus. Wir können das Ruder aber noch herumreißen. Es ist noch nicht zu spät.

Apropos zu spät. Ich weiß, die meisten meiner Leser warten ungeduldig auf die Fortführung der aktuellen MBTI-Serie, an der ich momentan schreibe und es tut mir leid, euch warten zu lassen. Wahrscheinlich wart ihr etwas enttäuscht, stattdessen ein politisches Statement von mir zu lesen – und ich kann euch beruhigen, ich habe bereits angefangen, weiter zu schreiben – aber zwei Wochen vor einer der entschiedensten Bundestagswahlen, die wir je in Deutschland hatten, musste ich dieses Thema ansprechen.

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