Der Herr der Ringe – Gandalf (INTJ)

INTJs werden, insbesondere, wenn es um fiktive Charaktere geht, gerne die Rollen der fiesen Schurken zugewiesen, die finstere Pläne schmieden, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Um dieses Klischee zu brechen, habe ich mich dazu entschieden, unseren liebsten, pfeiferauchenden Magier als Gegenbeispiel zu verwenden: Gandalf. Egal, ob grau oder weiß, auch, wenn er nach seinem Date mit dem Balrog hier und dort ein wenig anderes drauf ist – selbst eine Reinkarnation spült einen Persönlichkeitstypen offensichtlich nicht fort.

Erste Funktion – Introvertiertes Intuieren

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Wenn wir uns noch einmal daran erinnern, welche Rolle Gandalf innehatte, als die Gefolgschaft des Ringes entstand, kann man ohne Zweifel sagen, dass er am ehesten die Rolle des Strategen und dese Planers einnahm. Introvertierte Intuierer füllen aufgrund ihrer Weitsicht entsprechende Aufgaben auch mit weniger Anstrengungen aus, als die meisten anderen Typen, da sie sich ohnehin ständig ihre Ziele vergegenwärtigen. Unbegründete Ahnungen, die wie aus der leeren Luft gegriffen werden, sind ebenso zutreffend. So meint Gandalf auch im Bezug auf Gollum, dass er das Gefühl habe, dieser würde noch eine wichtige Rolle zu spielen haben – tatsächlich behält er mit dieser Einsicht recht.

Dass Gandalf als Magier die „unsichtbaren Mächte“ nicht verborgen sind, dürfte kein Geheimnis sein, aber dass er Frodo ausgerechnet mit den Worten „in dieser Welt, sind auch andere Mächte am Werk, Frodo – nicht nur die Mächte des Bösen“ aufzuheitern versucht, als dieser am liebsten aufgeben will, spricht dafür, dass gerade Symbolik und Übernatürliches eine große Rolle für Gandalf spielen. Er hätte ja auch irgendetwas über Freundschaft, Pflicht, Patriotismus oder Heldenruhm erzählen können, entscheidet sich aber für einen ziemlichen „introvertierten Intuierer“-Ansatz. Auch die Aura des geheimnisvollen Magiers spielt er voll aus. Lauschenden Hobbits damit zu drohen, sie in Frösche zu verwandeln? Wir wissen ja nicht mal, ob er das tatsächlich könnte. Aber durch den Eindruck, den er durch seine präzisen Worte und Handlungen in uns weckt, traut man sich auch nicht, seine Macht in Frage zu stellen.

Zweite Funktion – Extrovertiertes Denken

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Bei der Frage, ob Gandalf eher Personen- oder Aufgabenorientiert ist, muss man ganz klar sagen: Letzteres. Auch, wenn er (aufgrund seiner dritten Funktion) über ein gewisses Einfühlungsvermögen verfügt, merkt man ihm doch rasch an, dass er sich lieber damit beschäftigt, sachliche Probleme zu lösen, als dafür zu sorgen, dass sich alle wohl fühlen.

Gandalf ist direkt und sachlich und nicht selten kann man sich durch seine barsche Art auch angegriffen fühlen. „Närrischer Tuck! Wirf dich nächstes Mal selbst hinein, dann sind wir dich und deine Dummheit los!“ – Ein Fühler würde so etwas nie sagen. Es sei denn, er meint es wirklich ernst. Natürlich will Gandalf nicht wirklich, dass sich Pippin umbringt. Gerade bei extrovertierten Denkern sind cholerische Anfälle entsprechend schlimm, wenn man sensibel ist, was von ihrem Frust herrührt, dass bestimmte Dinge nicht nach ihrem optimalen System verlaufen. Denn extrovertiertes Denken ist genau darauf gerichtet – alles muss wie ein Uhrwerk funktionieren und der extrovertierte Denker weiß auch genau, wie so etwas zu funktionieren hat. Deshalb kommt Gandalf natürlich auch nicht zu spät zur Schlacht von Helms Klamm. Denn ein Magier… nun, ein Magier kommt nie zu spät. Ebenso wenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es beabsichtigt!

Schon mal einen extrovertierten Denker im Stau erlebt, der unter Zeitdruck ist? Nicht schön, sage ich euch. Nicht schön.

Dritte Funktion – Introvertiertes Fühlen

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Wo wir’s gerade von Gefühlen hatten – die Kehrseite zum extrovertierten Denken ist das nach innen gerichtete Fühlen. Gandalf orientiert sich nicht an dem, was andere fühlen, wie die Gruppenatmosphäre ist oder was gerade angemessen zu sagen wäre. Wenn er wütend ist, dann ist das nicht gespielt. Genauso, wenn er fröhlich ist. Er verstellt sich nicht, was typisch für introvertiertes Fühlen ist, das vor allem versucht, sich selbst treu zu sein.

Auch verleiht Gandalfs introvertiertes Fühlen ihm seine menschliche Seite. Was lustig ist. Weil er ein Maiar und kein richtiger Mensch ist. Naja, egal, jedenfalls, während extrovertierte Fühler versuchen, eher allgemein zu jedem Menschen freundlich und höflich zu sein, denken introvertierte Fühler individueller. Respekt? Ja, meinetwegen. Sie wollen schließlich auch respektiert werden. Aber aufrichtige Freundlichkeit, obwohl man einander kaum kennt? Schwierig. Im Gegenzug wirken introvertierte Fühler in der Regel stets authentisch – Gandalf hält sich meist ziemlich geschäftsmäßig kurz. Wenn er jemandem Anerkennung, Aufmunterung oder anderes Persönliches zuspricht, dann nimmt man es auch ernst.

Vierte Funktion – Extrovertiertes Empfinden

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Ausgeglichene Persönlichkeiten versuchen, mit ihrer unterdrückten, vierten Funktion ins Reine zu kommen. Nicht darin zu schwelgen, aber sie auch nicht komplett zu ignorieren. Das Problem vieler primärer introvertierten Intuierer (INTJ, INFJ) ist, dass sie ihre „hedonistische“, im Hier und Jetzt lebende Seite verdrängen oder sich darin verlieren. Gandalf hat dieses Problem nicht – er weiß eine gute Pfeife zu genießen und hat seinen aufrichtigen Spaß an Feuerwerken, einer Freude fürs Auge. Gandalf verschließt sich der materiellen Welt nicht und doch verliert er sich nicht darin und behält den Blick aufs „Wesentliche“ (für seine Standards) bei.

7 Antworten auf „Der Herr der Ringe – Gandalf (INTJ)

  1. Eigentlich ist der (Buch)-Gandalf eine nicht reale Supermensch-Mischung aus INFJ und INTJ. Beide sind z.B. weitsichtig und kennen die „Wahrheit“. INFJ ist sozial und helfend. INTJ erkennt schnell Systeme. Der Schauspieler ist aber INFP. Viele Grüße, Marcel

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    1. Danke für deinen Kommentar, Marcel.
      Über Ian McKellen kann ich kein Urteil fällen, gerade bei Schauspielern bin ich vorsichtig, sie einzuordnen. Ich würde jedoch sowohl über den im Buch, als auch über den im Roman portraitierten Gandalf sagen, dass beide INTJs sind, nicht INFJ. INFJs sind „weicher“, in dem Sinne, dass sie nicht diese buisnessmäßige Schroffheit an den Tag legen, wie Gandalf es tut. Auch bin ich vorsichtig mit der Kategorisierung der Wörter „sozial“ und „helfend“, da das jeder Typ sein kann und nicht auf bestimmte zugeschnitten ist. Extrovertiertes Fühlen, welches eben INFJs statt INTJs bevorzugen äußert sich eher in offen ausgedrückter Herzlichkeit und Wärme. Um bei Herr der Ringe zu bleiben, wäre Galadriel wahrscheinlich ein besseres Beispiel für einen INFJ.

      Häufig wird Gandalf als INFJ bezeichnet, da er einen starken Kontrast zu Saruman bildet, welcher in der Regel einstimmig als INTJ bezeichnet wird, aber nur, weil sich zwei Personen unterscheiden und andere Meinungen/Positionen vertreten, schließt das nicht aus, dass sie sich den Typ teilen. Ich bin zum Beispiel Sozialist, kenne aber auch Vertreter meines Typs, die sehr Wirtschaftsliberal eingestellt sind.

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      1. Dem stimme ich zu. Mit sozial und helfend ist natürlich das extr. Fühlen gemeint. Natürlich kann der INTJ auch diese Funktion benutzen, aber eben nicht so gern. Ich kann es jeden Tag bei meiner INTJ Frau sehen. Sie gibt es auch offen zu. Ander Leute umarmen ist Ihre 7-Funktion, also ein Witz für sie. Saruman ist wirklich ein typischer INTJ. Innerhalb der Typen gibt es sicher Unterschiede. Die Sozialisierung ist schon ein wichtiger Faktor Vor allen bei Traditionellen oder generell introv. Sensorikern. Sorry auch wegen meiner unpräzisen Ausdrucksweise. Dafür ist der INFJ bekannt. Aus diesen Grund werden unsere Thesen von Denkern meist nicht ernst genommen (Cassandra-Komplex).

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  2. „INTJs werden, insbesondere, wenn es um fiktive Charaktere geht, gerne die Rollen der fiesen Schurken zugewiesen, die finstere Pläne schmieden, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. “ Hillary Clinton (INTJ) ist allerdings real …

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  3. Empfehlenswerte Artikel: (1) The Myers-Briggs Asshole Index; (2) MBTI Types in horror movies; (3) „Sorry, you have to die.“

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    1. Schwer zu beantworten, da die Figur komplett unrealistisch ist (ich mag Charakter und Serie trotzdem). Die Art, wie er die physische Welt wahrnimmt, ist eher extr. Empfinden. Die Art, wie er Verbindungen herstellt und Schlüsse zieht ist für mich introvertiertes Intuieren. Das ganze Konzept von Sherlock Holmes, der als deduktiver Denker portraitiert wird basiert wiederum auf introvertiertem Denken.

      Mein Bauchgefühl würde sagen, dass der BBC-Sherlock ein INTJ ist, der mal eben in den ISTP-Modus umschalten kann. Wie gesagt, ich halte die Figur für unrealistisch – in dem Sinne, dass sie vom Charakterkonzept nicht wirklich konsistent ist.

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